Deutlich mehr Pleiten in
Schwellenländern
China verzeichnet 2016 mit +20%
weltweit höchsten Anstieg bei Insolvenzen (2015: +25%), verschlechtertes
Zahlungsverhalten erwartet · Dadurch erstmals seit sechs Jahren kein Rückgang
bei weltweiten Fallzahlen, Insolvenzen stagnieren bei rund 300.000 Fällen;
weiterhin 3% über dem Vorkrisenniveau
· Westeuropa mit rückläufigem Trend; Insolvenzen in Deutschland sinken 2016
ebenfalls um 2% · Steigende Risiken für europäische und deutsche Unternehmen
durch zunehmende Abhängigkeit von aufstrebenden Märkten und Handelspartnern in
Schwellenländern, mehr Schäden erwartet
Hamburg, 12. November 2015 – „When the BRICS hit a wall“ – die
Schwellenländer schwächeln. Der führende Kreditversicherer Euler Hermes
prognostiziert in seiner aktuellen Insolvenz-Studie für 2016 eine Trendwende bei
den weltweiten Fallzahlen: Erstmals nach sechs Jahren der rückläufigen Pleiten
wird dieser Trend im kommenden Jahr unterbrochen. Die Volkswirte von Euler
Hermes rechnen 2016 mit unveränderten Fallzahlen und weltweit rund 300.000
Insolvenzen – das ist weiterhin 3% über dem Vorkrisenniveau der Jahre 2003-2007.
Ursache für diese negative Entwicklung sind vor allem die Schwellenländer –
insbesondere Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, die sogenannten
BRICS – die mit zahlreichen Problemen kämpfen und teilweise einen starken
Anstieg bei Zahlungsausfällen und Insolvenzen hinnehmen müssen.
Jedes zweite Land weltweit mit mehr
Insolvenzen in 2016 – Romanze mit Schwellenländern auf Eis
„Jedes zweite Land weltweit verzeichnet nach unserer Ansicht 2016 einen Zuwachs
bei den Insolvenzfällen“, sagte Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Euler Hermes
Gruppe. „Nach einer fünfjährigen Romanze, in der die Schwellenländer mit den
größten globalen Wachstumsraten zu den Lieblingen vieler Investoren zählten,
stoßen diese nun an ihre Grenzen. Hohe Defizite bei ihrer Leistungsbilanz, ein
fragiler Privatsektor und hochpolitische Reformpläne sind oft ein perfekter
Sturm, der Kapital aus dem Land fegt. Volatilität und Nervosität bei Investoren
sind weitere Unwetterböen – und natürlich erheblich steigenden Kreditrisiken.
Zudem sind einige der Länder durch sinkende Rohstoffpreise, eine starke
Abwertung der lokalen Währung, steigende Kosten und eine drohende Zinserhöhung
der US-Notenbank gleich doppelt vom Blitz getroffen. Wir erwarten 2016 deshalb
in den aufstrebenden Märkten einen merklichen Anstieg der Insolvenzen. Das
bedeutet auch höhere Risiken für die hiesigen Unternehmen, denn die
Schwellenländer haben sich in den letzten Jahren zu einem zunehmend wichtigen
Handelspartner und Absatzmarkt gemausert.“
Insolvenzentwicklung in Industrie- und
Schwellenländern klafft zunehmend auseinander
Die Kluft zwischen Industrie- und Schwellenländern vertieft sich 2016, sowohl
beim Zahlungsverhalten als auch bei den Insolvenztrends. In den Schwellenländern
rechnet Euler Hermes 2016 mit durchschnittlich 4% mehr Insolvenzen; in der
Region Asien-Pazifik sind es 10%. Hinter Negativrekordhalter China (+20% in
2016) bergen im kommenden Jahr Brasilien (+18%), Taiwan, Singapur und Hongkong (jeweils
+15%), Kolumbien und Chile (jeweils +11%) sowie Südafrika und Marokko (jeweils
+10%) das höchste Risiko für deutsche Exportunternehmen.
In Deutschland sinken Insolvenzen nach Ansicht des führenden Kreditversicherers
um rund 2% im kommenden Jahr. Auch das restliche Westeuropa (-5% im Durchschnitt)
erfreut sich rückläufiger Fallzahlen – einzig Großbritannien (+5%), Finnland
(+2%), die Schweiz (+1%) schwimmen gegen den Strom; Österreich und Griechenland
stagnieren auf dem Niveau von 2015. Trotz der sukzessiven Erholung in Westeuropa,
verzeichnet die Region jedoch weiterhin ein gutes Drittel mehr Insolvenzen (34%)
als noch vor der wirtschaftlichen Krise (2003-2007); zwei von drei Ländern
liegen bei den Fallzahlen unverändert über dem damaligen Niveau. In Osteuropa
führen Bulgarien (+10%) und die Türkei (+6%) im kommenden Jahr das (Negativ-)Feld
bei den steigenden Insolvenzen an.
Deutschland robust – aber die
wichtigsten Handelspartner kämpfen mit Insolvenzen
„Die Aussichten für Deutschland sind auf den ersten Blick relativ gut bei einem
erwarteten Rückgang der Insolvenzen im kommenden Jahr um zwei Prozent“, sagte
Thomas Krings, Risikovorstand bei Euler Hermes. „Allerdings ist die Entwicklung
branchenübergreifend heterogen. Zudem ist in der Exportnation Deutschland kaum
ein Unternehmen nur im Inland tätig – im Gegenteil. Der wichtigste
Handelspartner der Deutschen, Nachbarland Frankreich, verzeichnet zwar 2016 eine
leichte Erholung bei den Insolvenzen. Die Franzosen kämpfen allerdings weiterhin
mit sehr hohen Fallzahlen, nicht weit entfernt von der Rekordhöhe der
vergangenen Jahre.“
Risse in der chinesischen Mauer:
Weltweit höchster Anstieg bei Insolvenzen – Schäden steigen
Angesichts des anhaltend hohen Preis- und Wettbewerbsdrucks führte an
Wachstumsmotor China für deutsche Exporteure in den vergangenen Jahren kaum ein
Weg vorbei. Das Reich der Mitte ist heute der drittwichtigste Handelspartner
Deutschlands.
„Die Risiken der steigenden Abhängigkeit von China sind für die Unternehmen
bereits 2015 spürbar geworden mit einer um zwei Tage* verschlechterten
Zahlungsmoral chinesischer Unternehmen und einem Anstieg der Insolvenzen um ein
Viertel“, sagte Krings. „Auch 2016 brauchen Exporteure gute Nerven, denn es
zeigen sich Risse in der chinesischen Mauer: Die dortige Zahlungsmoral
verschlechtert sich nach unserer Einschätzung um zusätzliche vier Tage* und die
Insolvenzen steigen um weitere 20% – das ist der höchste erwartete Anstieg
weltweit. Dies wirkt sich auf die gesamte Lieferkette aus. Wir betrachten das
Exportgeschäft durchaus mit einiger Sorge. Insgesamt erwarten wir 2016 in den
Schwellenländern höhere Schäden, allen voran China. Das Absicherungsbedürfnis
bei deutschen Exporteuren dürfte dadurch ebenfalls steigen.“
China: Weniger
Bankkredite, Ausreizen von Lieferantenkrediten bis hin zum Zahlungsverzug
Das Baugewerbe, die Metall- und Minenindustrie sind als Sektoren in China
zusammen mit der einfachen Produktion (low-end manufacturing) und den
exportorientierten Segmenten besonders stark von der sich verschlechternden Lage
betroffen. Insgesamt wirkt sich diese jedoch branchenübergreifend negativ aus,
da eine wachsende Anzahl von Unternehmen in China auf Lieferantenkredite
angewiesen ist aufgrund des schwierigeren Zugangs zu Bankkrediten oder
alternativen Finanzierungsmöglichkeiten. Verbreitet sind daher extrem lange
Zahlungsziele sowie das Ausreizen dieser Ziele bis hin zum Zahlungsverzug.
Nichtzahlungen haben sich in 2014 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt.
Das führt in einem Teufelskreis auch zu einem Anstieg der Insolvenzfälle.
Steigende Exportrisiken für deutsche Maschinen- und Autobauer, Elektronik-
und Chemiebranche
In Deutschland gehen 7% aller Ausfuhren nach China. Insbesondere die
traditionell stark in China vertretenen Branchen wie Maschinenbau und
Automobilindustrie spüren das wachsende Risiko nach Ansicht der Euler Hermes
Volkswirte besonders. Die Automobilindustrie macht rund ein Viertel (26%) aller
deutschen Exporte nach China aus, die Maschinenbauer fallen mit rund 37% sogar
noch stärker ins Gewicht. Aber auch für die Chemiebranche (11% aller deutschen
Ausfuhren nach China) und Elektronikunternehmen (10%) steigen die Exportrisiken
durch die große Bedeutung Chinas.
Deutschland: Dienstleistungen und Handel
mit den meisten Insolvenzen vor Bau und Transport
Unabhängig vom China-Effekt erwartet Euler Hermes 2016 im Dienstleistungssektor
mit rund 40% aller Fälle die meisten Insolvenzen, gefolgt vom Handel (18%), dem
Baugewerbe (17%), der Transportbranche (9%), Maschinenbau und sonstigen Sektoren
(jeweils 8%).
Griechenland und Russland stabilisieren sich leicht – aber Unsicherheiten
bleiben
„Neben der guten Entwicklung in Westeuropa und den USA erwarten wir 2016 auch in
einigen anderen Ländern eine leichte Verbesserung der teilweise sehr schwierigen
Situation in diesem Jahr“, sagte Krings. „In Russland war 2015 beispielsweise
von einer starken Rezession und 30% mehr Pleiten geprägt. Zwar steigen die
Insolvenzen nach unserer Prognose auch 2016 weiter an – mit 4% flacht sich diese
Entwicklung jedoch merklich ab. Auch in Griechenland dürfte sich die Lage etwas
normalisieren. Nach 15% mehr Insolvenzen in 2015 rechnen wir für das kommende
Jahr derzeit mit keinem weiteren Anstieg, sondern gleichbleibenden Fallzahlen –
auch wenn die politischen Unsicherheiten weiter bestehen bleiben.“
*Die Berechnungsgrundlage sind die sogenannten „Days of Sales Outstanding“ (DSO)
börsennotierter Unternehmen. Die DSO sind der Zeitraum zwischen
Rechnungsstellung und Begleichung der Forderung. In China wird sich dieser
Zeitraum im Jahr 2015 um voraussichtlich zwei Tage verlängern. In 2016 rechnet
Euler Hermes damit, dass sich die DSO in China um weitere vier Tage
verschlechtern wird. In den meisten Industrieländern ist die DSO-Entwicklung
positiv und Unternehmen bezahlen gleich schnell oder sogar schneller als im
Vorjahr.
Die Insolvenzweltkarte 2016 finden Sie hier:
http://www.eulerhermes.com/mediacenter/Lists/mediacenter-documents/Infographic-Business-Insolvency-Forecasts2015-Q3update.pdf
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