Milchpreise:
Die Abzocker sitzen in den
Molkereien
"Was
da passiert, ist Zerstörung pur, das ist Raubtierkapitalismus", wetterte der
Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Gerd Sonnleitner,gegen den
Lebensmitteleinzelhandel. Vor allem die Discounter Aldi,Lidl, Rewe und Edeka
hatte er im Visier, weil sie die Preise für Milch um bis zu zehn Cent pro Liter
gesenkt hatten. Gut gemeint, aber schlecht informiert Herr Sonnleitner.
Angesichts der diversen Skandale in jüngster Zeit ist es zwar
öffentlichkeitswirksam die Discounter anzugreifen.
Sie machen die Milchpreise aber nur teilweise. Die wahren "Raubtierkapitalisten"
sitzen in den Molkereien.
"Alles Müller oder was", nicht nur. Rund 200 Molkereien gibt es in Deutschland,
sie
bestimmen den Preis.
Alle sechs Monate werden dort die Preise mit den großen Einzelhandelsketten
ausgehandelt.
Sie verhandeln mit den großen Abnehmern wie Aldi, Lidl und anderen
Supermarktketten - und haben dabei nur ein Ziel: die Milch beim Bauern möglichst
billig zu kaufen und beim Supermarkt möglichst teuer zu verkaufen. Das geht
meist zu Lasten der Bauern, sie sind das schwächste Glied in der Kette.
"Wir erwarten von den Molkereien, dass sie sich endlich ihrer Verantwortung
stellen und mit den Milcherzeugern im Hinblick auf einen funktionierenden Markt
zusammenarbeiten", fordert daher der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter.
Bei den Molkereien bleibt ein Großteil des Geldes hängen, das an der Milch
verdient wird. Während die Erzeuger knapp 49 Prozent des Milchpreises erhalten,
und der Lebensmitteleinzelhandel ebenfalls knapp zehn Prozent bekommt (10
Prozent gehen über Mehrwertsteuer und Grünen Punkt an den Staat), bleiben satte
34 Prozent bei den Molkereien.
Dort müssen die Bauern ihre Milch abliefern, weil das Milchgesetz jeden Bauern
verpflichtet, seine Frischmilch zu pasteurisieren, also keimfrei machen zu
lassen. Das geschieht in den überwiegend genossenschaftlich organisierten
Molkereien. Sie verhandeln hinterher über den Preis.
Dass dabei Müller (Müller Milch) und Campina (Landliebe) die beiden Marktführer
eine wichtige Rolle spielen steht außer Frage. Sie halten ihre Preise hoch und
setzen dabei auf ihr positives Markenimage. 300 Millionen Euro Umsatz im Jahr
macht allein Campina mit Landliebe - auch, weil der Name zu den bekanntesten
Marken Deutschlands zählt.
Augenwischerei sagt Foodwatch. "Im Gegensatz zur Milchpreiszusammensetzung der
Durchschnittsmilch fließen hier zehn bis 25 Cent extra an die Molkerei", so
Foodwatch-Experte Wolfschmidt. Der Verbraucher werde im Glauben gelassen, für
die "frische Landmilch" deshalb so viel zu zahlen, weil er damit eine besondere
Qualität garantiert bekomme, kritisiert Foodwatch. Dabei ist gerade das nicht
der Fall: "Versprechen wie 'artgerechte Tierhaltung', 'traditionelle Verfahren'
und 'Art der Fütterung' sind weder klar definiert noch überprüfbar", kritisiert
Wolfschmidt.
Landliebe unterscheide sich nicht groß von anderer, konventioneller Milch -
außer durch den 20- bis 50-prozentigen Preisaufschlag. "Die Verbraucher haben
mit ihrer Kaufentscheidung keinen Einfluss auf den Preis, den die Bauern für
ihre Milch bekommen - und können deshalb ihre konventionelle Milch auch gleich
im Discounter kaufen", sagt Wolfschmidt von Foodwatch. |
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