Neues Insolvenzrecht:
Das können
Menschen und Unternehmen in der Krise tun
Am
1. Januar 2021 ist ein bisher wenig beachtetes Coronagesetz in Kraft getreten,
das die Dauer von Insolvenzverfahren von sechs auf drei Jahre verkürzt. Das
müssen Unternehmen und Privatpersonen in der Krise dazu wissen.
Von Nina Haverkamp, Fachanwältin für Insolvenzrecht, Köln
Der deutsche Gesetzgeber hat sich im vergangenen Jahrzehnt sehr schwer
damit getan, die Dauer der Insolvenzen zu verkürzen. Anders als in England,
Frankreich oder Spanien, wo eine Insolvenz zwischen einem und drei Jahren dauert,
stand in Deutschland gläubigerfreundlich die Bestrafung der Schuldner im
Vordergrund und nicht deren schnelle Entschuldung. Die Coronakrise hat diese
Diskussion beendet und kurzerhand neue Fakten geschaffen. Wirtschaftlich
Gebeutelte haben nun eine neue Perspektive – den Schuldnern soll zügig ein
Neuanfang offen stehen. Die neuen Regelungen gelten übrigens für Unternehmer und
Selbständige genauso wie für Verbraucher.
Einige Regelungen wurden verschärft...
Andere Regelungen in der Insolvenzordnung wurden allerdings verschärft. Der
Zeitraum, der zwischen dem abgeschlossenen Insolvenzverfahren und einer erneuten
Insolvenz liegen muss, wird von zehn auf elf Jahre verlängert. Im Verfahren der
erneuten Insolvenz beträgt die Wohlverhaltensphase auch nicht drei, sondern fünf
Jahre.
Schließlich wird das Vermögen des Schuldners während des Verfahrens stärker
durch den Insolvenzverwalter für die wirtschaftliche Befriedigung der Gläubiger
herangezogen. In der Wohlverhaltensphase sind Geschenke zur Hälfte sowie
Lotteriegewinne vollständig herauszugeben, nur gebräuchliche
Gelegenheitsgeschenke und Gewinne von geringem Wert sind ausgenommen. Der
Schuldner kann außerdem durch das Insolvenzgericht feststellen lassen, ob ein
Gegenstand der Herausgabepflicht unterliegt.
... andere allerdings erleichtert
Es gibt allerdings auch zwei Regelungen, die gerade für Schuldner, die
unternehmerisch tätig sind, eine Erleichterung enthalten:
Schuldner haben zwar in der Insolvenz grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf
Fortsetzung ihrer Selbständigkeit oder die Gründung eines neuen Unternehmens,
vorausgesetzt der Insolvenzverwalter hat hierzu seine Zustimmung erteilt. Doch
genau letzteres hat sich häufig verzögert.
Dies ist jetzt anders: Der Insolvenzverwalter muss spätestens innerhalb eines
Monats über die Freigabe der selbstständigen Tätigkeit entscheiden.
Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft die Frage, welchen Betrag der selbständige
Schuldner an den Insolvenzverwalter abzuführen hat. Grundsätzlich ist das im
Insolvenzverfahren der pfändbare Teil des Nettoeinkommens.
Da Unternehmer oder Selbständige aber kein Nettoeinkommen haben, sondern
bestenfalls Gewinne, wird ein sogenanntes fiktives Nettoeinkommen gebildet. Das
musste der Schuldner bisher selbst machen – was im schlimmsten Fall den Erfolg
des Insolvenzverfahrens gefährden konnte.
Denn: Waren die Berechnungen angreifbar – etwa weil das fiktive Nettoeinkommen
zu niedrig angesetzt war – konnte ein Gläubiger noch nach sechs Jahren die
Versagung der Restschuldbefreiung beantragen.
Nach der neuen Regelung kann der Schuldner beantragen, dass der abzuführende
Betrag vom Insolvenzgericht festgesetzt wird.
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Die neue Insolvenzregelung auf einen Blick
Schuldenfrei nach 3 Jahren für alle
Insolvenzverfahren, die seit dem 01. Oktober 2020 beantragt werden
Die Verkürzung auf drei Jahre gilt für Verbraucher, genauso wie für Unternehmer
und Selbständige
Droht eine zweite Insolvenz, so darf diese zukünftig erst nach elf und nicht
nach zehn Jahren beantragt werden. Das zweite Insolvenzverfahren dauert dann
fünf Jahre.
Der Schuldner haftet in der Wohlverhaltensphase stärker mit seinem Vermögen
Der Weg aus den Schulden –
So geht‘s richtig!
Es gibt keinen Königsweg aus den Schulden, aber aufgrund der Verkürzung der
Verfahren auf drei Jahre eröffnen sich neue Optionen.
Unternehmer und Selbständige, die die Insolvenz als das kleinere Übel im
Hinblick auf einen wirtschaftlichen Neuanfang betrachten, müssen beim
zuständigen Insolvenzgericht einen Insolvenzantrag einreichen. Es besteht für
die sogenannten Regelinsolvenzen grundsätzlich kein Formzwang, es ist aber
empfehlenswert, die im Internet frei abrufbaren Formulare zu verwenden und mit
aller Gründlichkeit auszufüllen.
Hierbei besteht kein Anwaltszwang, so dass Schuldner nicht gezwungen sind,
Kosten für eine anwaltliche Unterstützung zu zahlen. Allerdings dürfte dies
wegen der zahlreichen Detailfragen dennoch oft sinnvoll sein.
Dann sollte allerdings immer ein Fachanwalt für Insolvenzrecht, also ein echter
Spezialist, zu Rate gezogen werden.
Sinnvollerweise wird nicht nur ein Insolvenzantrag ausgefüllt und bei Gericht
eingereicht, sondern hiermit verbunden auch ein Stundungsantrag. Denn wie bei
jedem Klageverfahren, müssen auch für ein Insolvenzverfahren zunächst die
Gerichtsgebühren aufgebracht werden, bevor ein Verfahren eröffnet werden kann.
Mit dem Stundungsantrag entfällt diese Hürde. Voraussetzung ist die
wirtschaftliche Bedürftigkeit, die in aller Regel gegeben ist – sonst würde
schließlich kein Insolvenzantrag gestellt werden.
Das Gericht prüft den Antrag und bestellt einen vorläufigen Insolvenzverwalter,
der die Voraussetzungen einer Insolvenzreife prüft.
Zudem muss er feststellen, ob es ausreichend Vermögen gibt, um die
Verfahrenskosten zu tragen, wobei dieser Punkt aufgrund der Stundung der
Verfahrenskosten sich praktisch erledigt. Schließlich wird das
Insolvenzverfahren eröffnet und die drei Jahre laufen. Zwischen der Einreichung
des Insolvenzantrags und der Eröffnung des Verfahrens dauert es meistens vier
bis sechs Wochen.
Quelle: Text
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